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13. Januar 2022
/  Alexa Broek

Corona im Niederländischen Arbeitsrecht

Auch die Niederlande bleiben von der Omikron-Variante des Corona-Virus nicht verschont und die Regierung sah sich erneut zu strengeren Vorsichtsmaßnahmen gezwungen, weswegen sich die Niederlande aktuell wieder im Lockdown befinden. Höchste Zeit, sich darüber zu informieren, welche Rechte Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Zeiten der Pandemie zustehen. Nachfolgend lesen Sie die wichtigsten aktuellen Urteile zu Themen wie unter anderem Mundschutzpflicht am Arbeitsplatz, verpflichteter Urlaub wegen Corona und die Corona-Krise als Kündigungsgrund.

 

  1. Mundschutzpflicht am Arbeitsplatz (ECLI:NL:RBNHO:2021:8121)

Im September 2021 sprach sich das Amtsgericht Noord-Holland über die Frage aus, ob die Weigerung eines Arbeitnehmers, gemäß der Weisung des Arbeitgebers, einen Mundschutz am Arbeitsplatz zu tragen, eine Kündigung rechtfertigt. Das Gericht entschied, dass ein Arbeitgeber angemessene Vorschriften zur Ausübung der Arbeit und zur Förderung der guten Ordnung im Unternehmen stellen darf. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich daran zu halten. Der Arbeitgeber darf sein Personal daher verpflichten, auf dem Betriebsgelände und am Arbeitsplatz einen Mundschutz zu tragen, vor allem, wenn dies den geltenden nationalen Richtlinien entspricht. Wenn ein Arbeitnehmer diese Anweisung wiederholt verweigert und das sogar zu Konflikten mit Kollegen führt, kann ein gestörtes Arbeitsverhältnis vorliegen, was die Auflösung des Arbeitsvertrags rechtfertigt. Eine Ausnahme kann aber gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer ein ärztliches Zeugnis vorlegt, wonach er keinen Mundschutz tragen kann.

 

  1. Meinungsäußerung auf LinkedIn (ECLI:NL:RBGEL:2021:4701)

Eine Mitarbeiterin einer Pflegeeinrichtung hatte auf der geschäftlichen Plattform LinkedIn mit ihrem Profil als Arbeitnehmerin dieser Einrichtung zwei Mitteilungen veröffentlicht und geteilt. Einerseits warnte sie die Allgemeinheit vor den Gefahren des Impfens gegen das Corona-Virus, um so eine Diskussion über die Impfpolitik der Regierung und deren wissenschaftliche Fundierung anzuzetteln. Diese Mitteilung stufte das Amtsgerichts Gelderland in seinem Urteil als freie Meinungsäußerung ein. Andererseits hatte die Mitarbeiterin Mitteilungen veröffentlicht und geteilt, die spezifisch gegen Personen gerichtet waren, die an der landesweiten (Impf-)Politik bezüglich Corona mitwirkten. Die Mitarbeiterin bezeichnete sie als (Kriegs-)Verbrecher, die persönlich verantwortlich seien und stellte in ihren Veröffentlichungen einen Vergleich mit Völkermord und der Verfolgung von Juden an. Die Mitarbeitern war der Ansicht, dass diese Äußerungen als maßvoll, meinungsbildend und/oder informativ und auf die Vermittlung von Wissen und/oder den Austausch von Meinungen gerichtet seien. Das Gericht verwarf diese Verteidigung und entschied, dass die Äußerungen emotional, verurteilend und beleidigend seien. Wenn ein Arbeitnehmer ein geschäftliches Medium, auf dem seine Verbindung zum Arbeitgeber sichtbar ist, nutze, um solche Mitteilungen zu veröffentlichen oder zu teilen, dann dürfe der Arbeitgeber dagegen vorgehen. In diesem Fall führte das sogar dazu, dass der Arbeitsvertrag aufgrund des schuldhaften Verhaltens der Arbeitnehmerin aufgelöst wurde.

 

  1. Mit Erkältungssymptomen auf der Arbeit erscheinen (ECLI:NL:RBROT:2021:7670)

Im August 2021 urteilte das Amtsgericht Rotterdam über die Frage, ob ein Arbeitnehmer, der während der Corona-Pandemie mit Erkältungssymptomen auf der Arbeit erschienen und nicht nach Hause gegangen war, obwohl ihm dies von mindestens vier Kollegen ausdrücklich empfohlen wurde, deswegen entlassen werden darf. Sein Verhalten stand im Widerspruch zu den internen Corona-Verhaltensregeln des Arbeitgebers, wonach man bei Symptomen zu Hause bleiben musste. Diese internen Verhaltensregeln waren dem Arbeitnehmer bekannt.

Laut Urteil des Gerichts ist die bloße Tatsache, dass der Arbeitnehmer mit Erkältungsbeschwerden an seinem Arbeitsplatz erschien und nicht nach Hause ging, kein gültiger Kündigungsgrund. Allerdings hob das Gericht den Arbeitsvertrag aufgrund eines gestörten Arbeitsverhältnisses auf. Dadurch, dass der Arbeitnehmer nicht nach Hause gegangen war, obwohl ihm dies von mindestens vier seiner Kollegen aufgrund seiner Erkältungssymptome ausdrücklich empfohlen wurde, erschütterte er das Vertrauen seiner Kollegen und auch das seines Vorgesetzten.

 

  1. Verpflichteter Urlaub wegen Corona (ECLI:NL:RBROT:2021:3869)

Der Arbeitgeber setzte seinen Arbeitnehmer unter Druck, 13,5 seiner 31,5 aufgebauten Urlaubstage an den Arbeitgeber zu „spenden“, sprich sie ohne Vergütung des Arbeitnehmers verfallen zu lassen, da sonst sein gesamtes Urlaubsstundensaldo auf Null gesetzt werden würde. Im Zusammenhang mit Covid-19 forderte der Arbeitgeber alle seine Arbeitnehmer auf, Urlaub zu nehmen oder Urlaubstage zu spenden. Der  fragliche Arbeitnehmer war mit diesem Vorgehen jedoch nicht einverstanden. Daraufhin beantragte der Arbeitgeber bei Gericht die Aufhebung des Arbeitsvertrages.

Das Amtsgericht Rotterdam entschied, dass sich der Arbeitgeber nicht wie ein guter Arbeitgeber verhalten habe. Zudem habe er gegen die Regel verstoßen, dass Arbeitnehmer grundsätzlich Urlaubstage gemäß ihren Wünschen nehmen können und der Arbeitgeber dies nur verweigern kann, wenn die Betriebsführung dadurch gestört wird.

Die Tatsache, dass der Arbeitgeber alle seine Arbeitnehmer aufforderte, im Zusammenhang mit Covid-19 Urlaub zu nehmen und/oder Urlaubstage zu spenden, ändert nichts an der Tatsache, dass Covid-19 nicht als Grundlage dafür dienen kann, von einem Arbeitnehmer zu verlangen, Urlaubstage zu spenden.

Außerdem ist nicht zu unterstellen, dass der Arbeitnehmer endgültig, unmissverständlich und freiwillig auf seine Urlaubsstunden verzichtet hat, da eine solche Erklärung des Arbeitnehmers nicht vorlag. Vielmehr erklärte er, dass er dem Verzicht auf seine Urlaubsstunden nicht zustimme. Das Gericht lehnte den Antrag des Arbeitgebers, den Vertrag aufzuheben, ab und erklärte, dass der Arbeitnehmer vollen Anspruch auf alle aufgebauten Urlaubstage habe.

 

  1. Corona-Krise als Kündigungsgrund (ECLI:NL:RBROT:2021:10455)

Ein Arbeitgeber kann beim UWV die Genehmigung beantragen, einen Arbeitsvertrag zu kündigen, wenn ein triftiger wirtschaftlicher Grund vorliegt und es ihm nicht möglich oder zumutbar ist, den Arbeitnehmer innerhalb einer angemessenen Frist an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz einzusetzen. Ein triftiger Grund für eine Kündigung ist unter anderem der notwendige Abbau von Arbeitsplätzen, betrachtet über einen zukünftigen Zeitraum von mindestens 26 Wochen und  als Folge von Maßnahmen, die aufgrund wirtschaftlicher Umstände zur effizienten Führung des Unternehmens getroffen werden.

Auf Antrag eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitsvertrag mit Zustimmung des UWV gekündigt wurde, kann der Richter urteilen, dass der Arbeitsvertrag wieder in Kraft gesetzt werden muss, wenn kein triftiger Grund vorlag und das UWV daher die Kündigung zu Unrecht genehmigt hat. In diesem Zusammenhang hat das niederländische Gericht in Rotterdam im November 2021 entschieden, dass die Corona-Krise (teilweise) zum Vorliegen wirtschaftlicher Umstände führen kann, die eine Kündigung von Arbeitnehmern rechtfertigen.

 

Was bedeutet das für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den Niederlanden?

Soweit unsere Auswahl aus der aktuellen Rechtsprechung zu Corona-relatierten Fragen im niederländischen Arbeitsrecht. Die jeweiligen Urteile besitzen jedoch niemals Allgemeingültigkeit. Welche Rechte Arbeitnehmer und Arbeitgeber in den Niederlanden geltend machen können, ist regelmäßig eine Ermessensentscheidung des Richters unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Haben Sie Fragen zum niederländischen Arbeitsrecht? Bitte wenden Sie sich unverbindlich an DR. Wiebke Bonnet Vogler oder Alexa Broek oder rufen Sie uns an unter +31 (0)20-5747443 (deutschsprachiges Sekretariat).

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