Fast 90 % der Arbeitsverträge in den Niederlanden werden über eine sogenannte Vaststellingsovereenkomst (VSO) (dt.: Aufhebungsvertrag) beendet. Das gilt umso mehr in der noch immer anhaltenden Corona-Krise, in der sich leider viele Betriebe von ihren Mitarbeitern trennen müssen und dies bevorzugt über einen Aufhebungsvertrag regeln. Unsere deutschsprachigen Rechtsanwälte haben viel Erfahrung mit der Begleitung von Mandanten im Rahmen von Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag. Nachfolgend lesen Sie, was ein Aufhebungsvertrag ist und worauf Sie als Arbeitnehmer achten müssen.
Vaststellingsovereenkomst / Aufhebungsvertrag in den Niederlanden
Im Arbeitsrecht ist ein Aufhebungsvertrag eine schriftliche Vereinbarung zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer, mit der ein Arbeitsverhältnis beendet wird. Ein solcher Aufhebungsvertrag, der bisweilen ziemlich umfangreich ist, legt fest, welche Rechte und Pflichten Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses und der Beendigung desselbigen haben.
Worauf müssen Sie achten?
Bietet Ihr niederländischer Arbeitgeber Ihnen an, das Arbeitsverhältnis über einen Aufhebungsvertrag zu beenden? Dann kann es für Sie als Arbeitnehmer unter Umständen vorteilhaft sein zu kooperieren. Sie können über die Bedingungen der Aufhebung des Arbeitsvertrags verhandeln und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann schneller abgewickelt werden. Dabei gibt es diverse Aspekte, die es zu beachten und in die Verhandlungen mit einzubeziehen gilt.
a) Ansprüche auf Arbeitslosengeld in den Niederlanden
Auch wenn Sie mit Ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag schließen, können Sie in den Niederlanden Ihr Recht auf Arbeitslosengeld behalten. Dazu muss im Aufhebungsvertrag (meist in der Präambel) allerdings deutlich festgehalten werden, dass Ihr Arbeitgeber die Initiative zur Kündigung ergriffen hat, dass kein wichtiger Kündigungsgrund vorliegt (wie etwa bei einer fristlosen Kündigung) und dass Sie für die Kündigung nicht verantwortlich sind. Darüber hinaus muss der Aufhebungsvertrag einen gültigen Kündigungsgrund enthalten. Wenn Sie z.B. wegen einer Neustrukturierung als Folge der Corona-Krise entlassen werden, muss in Ihrem Aufhebungsvertrag aufgenommen werden, dass das Arbeitsverhältnis aus betriebswirtschaftlichen Gründen (bedrijfseconomische redenen) beendet wird.
Weiterhin ist zu beachten, dass Sie erst nach Ablauf der in Ihrem Arbeitsvertrag festgelegten Kündigungsfrist Recht auf Arbeitslosengeld haben. Damit Sie keine Zeiten ohne Einkommen überbrücken müssen, ist die Einhaltung der korrekten Kündigungsfrist von besonderem Belang.
Achtung: Planen Sie nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses eine Rückkehr nach Deutschland, Österreich oder in die Schweiz, so ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld in dem jeweiligen Land nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags nach niederländischem Recht keineswegs gewährleistet.
b) Abfindung
Bei einer Aufhebung des Arbeitsvertrags mit gegenseitigem Einverständnis haben Sie nicht automatisch Recht auf eine Abfindung. Grundsätzlich gibt es in den Niederlanden eine gesetzliche Abfindung, die sog. transitievergoeding. Diese beträgt 1/3 Monatsgehalt pro Dienstjahr. In Aufhebungsverträgen kann man jedoch je nach Sachlage erheblich höhere Abfindungen ausverhandeln. Es lohnt sich sehr, sich hier anwaltlich beraten zu lassen.
c) Enddatum
Wie bereits erwähnt, ist auch das Enddatum des Arbeitsverhältnisses ein wichtiger Aspekt im Rahmen der Verhandlungen. Es ist dringend anzuraten, mindestens die im Arbeitsvertrag festgelegte Kündigungsfrist einzuhalten. Vor Ablauf dieser Frist haben Sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Darüber hinaus kann es in vielen Fällen sinnvoll sein, ein späteres Enddatum zu verhandeln, damit Sie sich aus einer laufenden Stellung heraus anderweitig bewerben können. Liegt das Enddatum noch in weiter Ferne, empfiehlt es sich häufig eine Regelung für den Fall zu treffen, dass der Arbeitnehmer bereits früher als erwartet eine andere Arbeitsstelle findet.
d) Freistellung von der Arbeit
In Ihrem Aufhebungsvertrag kann vereinbart werden, dass Sie für eine gewisse Zeit zwar noch offiziell bei Ihrem Arbeitgeber angestellt sind, aber unter Fortzahlung des Gehalts von der Arbeit freigestellt sind, auch Garden Leave genannt. Als Expat in den Niederlanden, der in den Genuss der steuerlichen 30%-Regelung kommt, ist hier Vorsicht angesagt. Denn bei Anwendung der 30%-Regelung ist es zwar möglich, den Arbeitgeber zu wechseln und dabei die 30%-Regelung beizubehalten. Voraussetzung ist aber, dass der Arbeitsvertrag mit dem neuen Arbeitgeber innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Tätigkeit für den alten Arbeitgeber geschlossen wird. Als Tätigkeit wird dabei die tatsächliche Verrichtung von Arbeit für den Arbeitgeber angesehen, was während der Freistellung nicht gegeben ist.[1]
e) Urlaubsansprüche
Arbeitgeber möchten im Aufhebungsvertrag regelmäßig festlegen, dass Urlaubstage als aufgenommen gelten, insbesondere wenn eine längere Freistellung erfolgt. Das bedeutet, dass Ihre Urlaubstage nicht mehr ausgezahlt werden. Wenn Sie noch viele Urlaubstage übrig haben, sollten Sie hierüber verhandeln.
f) Wettbewerbsverbots- und Kundenschutzklausel
Wenn Sie nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses schnell wieder woanders arbeiten wollen, sollten Sie unbedingt beachten, ob Ihr Arbeitsvertrag – wie in den Niederlanden vielfach üblich – ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot oder eine Kundenschutzklausel enthält. Häufig sind in niederländischen Arbeitsverträgen nachvertragliche Wettbewerbsverbote und Kundenschutzklauseln mit einer Laufzeit von bis zu 12 Monaten aufgenommen, was Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erheblich einschränkt. Ist dies der Fall, sollten diesbezüglich unbedingt ausdrückliche Vereinbarungen im Aufhebungsvertrag getroffen werden.
g) Erstattung der Anwaltskosten für die Überprüfung des Aufhebungsvertrags
Es ist vielfach üblich, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Aufhebungsvertrag die Möglichkeit gewährt, den Aufhebungsvertrag durch einen Anwalt auf Kosten des Arbeitgebers rechtlich prüfen zu lassen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Initiative für die Beendigung vom Arbeitgeber ausgeht. Auch die Höhe der übernommenen Anwaltskosten ist Verhandlungssache.
h) Erstattung von Outplacementkosten
Viele Arbeitnehmer möchten eine professionelle Begleitung in eine neue Beschäftigung oder in die Selbstständigkeit in Anspruch nehmen (z.B. Coaching, Besuch von Lehrgängen etc.). Die hiermit verbundenen Kosten nennt man Outplacement-Kosten. Auch hierfür kann man im Aufhebungsvertrag bei Bedarf ein gewisses Budget ausverhandeln.
i) Zeugnis
Auch sollte ein Aufhebungsvertrag stets den Anspruch des Arbeitnehmers auf ein positives Zeugnis enthalten.
j) Krankheit oder Schwangerschaft
Sind Sie krank oder schwanger? Dann können Sie sich durch die Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags unter Umständen das Recht auf Arbeitslosengeld oder Krankengeld verspielen. In diesem Fall sollten Sie sich stets mit einem Anwalt beraten, um Ihre Ansprüche sicherzustellen.
Bedenkzeit
Haben Sie mit Ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag vereinbart? Dann haben Sie per Gesetz noch zwei Wochen Zeit, den Aufhebungsvertrag zu widerrufen. Der Widerruf muss schriftlich erfolgen, allerdings müssen Sie dabei keine Gründe nennen.
Lassen Sie Ihren Aufhebungsvertrag von unseren deutschsprachigen Anwälten prüfen
Damit Sie nach der Aufhebung Ihres Arbeitsverhältnisses nicht mit Enttäuschungen konfrontiert werden, muss Ihr Aufhebungsvertrag juristisch einwandfrei formuliert sein. Ein Aufhebungsvertrag ist in der Regel eine endgültige Vereinbarung, in welcher die Parteien übereinkommen, dass sie nach der Erfüllung der im Aufhebungsvertrags geregelten Verbindlichkeiten keine Forderungen mehr gegeneinander haben.
Wir empfehlen daher, Ihren Aufhebungsvertrag stets von einem Spezialisten überprüfen zu lassen. Wie bereits erwähnt, vergütet der Arbeitgeber regelmäßig die gesamten oder zumindest einen Teil der dadurch entstandenen Anwaltskosten, sodass Sie diese Kosten nicht (komplett) selbst tragen müssen.
Fragen?
Haben Sie Fragen in Zusammenhang mit einem Aufhebungsvertrag? Möchten Sie Ihren Aufhebungsvertrag überprüfen lassen oder benötigen Sie anwaltliche Beratung bei der Verhandlung über einen Aufhebungsvertrag nach niederländischem Recht? Dann nehmen Sie unverbindlich Kontakt mit uns auf unter +31 (0)20 57 47 443 oder schreiben Sie eine Mail an w.bonnet@vandiepen.com oder a.broek@vandiepen.com. Wir beraten Sie gern, in deutscher Sprache.
[1] Landgericht Zeeland-West Brabant 14. August 2015, ECLI:NL:RBZWB:2015:8051.